Terroranschläge am 11. September 2001
Infoline
Terroranschläge am 11. September 2001 (111)
Weiterlesen...Gesellschaftliche Debatten
Soziologie
Zu den längerfristigen und tiefergehenden Ursachen des islamistischen Terrors gibt es verschiedene Theorien: „Antiimperialistische“ Erklärungsmuster machen den Westen, besonders die Nahostpolitik der USA und Israels, für den Hass und die Radikalisierung vieler Muslime verantwortlich. So wurde Osama bin Laden oft als Produkt der CIA und seine Anschlagsplanung als Folge einer verfehlten US-Außenpolitik im Kalten Krieg betrachtet. Diese sei schließlich auf die USA selbst zurückgefallen (Blowback).110 / 110 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (112)
Weiterlesen...Auch das Versagen der reichen westlichen Industriestaaten gegenüber dem Problem der Armut durch eine einseitige Globalisierung habe dem Terror (nicht jedoch ihren Drahtziehern) einen Nährboden geschaffen. Diese Sicht vertreten vielfach linke Intellektuelle wie Noam Chomsky oder Menschenrechtler wie die Inderin Arundhati Roy.
Aus kultursoziologischer Perspektive wird das Phänomen des sogenannten Islamischen Terrorismus auch als Frontbildung gegen kulturelle Modernisierung im jeweiligen Heimatland gedeutet. Die Verunsicherung, die mit dem Brüchigwerden alter tradierter Strukturen und Ideologien einhergehe, werde durch verstärkte Besinnung auf die eigenen Wurzeln (z. B. den Salafismus) kompensiert und im terroristischen Kampf gegen die westliche Welt ausgelebt. Durch den spektakulären Anschlag im Zentrum der westlichen Welt wollten die Täter angeblich die Verletzlichkeit der „Juden und Kreuzfahrer“ symbolisch demonstrieren. In dieser Perspektive wird die Ideologie der Täter als „Islamfaschismus“ gedeutet und die Komponente des Antisemitismus darin betont.111 / 111 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (113)
Weiterlesen...Zäsur
Ob die Anschläge vom 11. September 2001 eine historische Zäsur bedeuten, ist in Publizistik und Fachwissenschaft umstritten. Zeitgenossen nahmen sie zunächst eindeutig als solche wahr. Die New York Times etwa schrieb am 12. September 2001, es sei „einer jener Momente, in denen die Geschichte sich teilt und wir die Welt als ‚vorher‘ und ‚nachher‘ definieren“. In Deutschland titelten an diesem Tag sowohl die Bild-Zeitung als auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung unabhängig voneinander: „Es wird nichts mehr so sein, wie es war“.112 / 112 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (114)
Weiterlesen...Doch bereits wenige Jahre später widersprachen Historiker und Politikwissenschaftler in zwei Bänden der Wahrnehmung der Zeitgenossen. Sie betonten die Kontinuität des amerikanischen Hegemonialstrebens gegenüber der islamischen Welt und der Neigung, internationale Konflikte manichäisch als Kampf zwischen Gut und Böse wahrzunehmen. Auch auf der Linken betonte man eher die Kontinuität des Imperialismus und „amerikanischen Suche nach Weltherrschaft“ (so der Untertitel eines Buchs von Noam Chomsky).
2011 veröffentlichte der Amerikanist Michael Butter den Band 9/11, kein Tag, der die Welt veränderte. Darin argumentiert er, dass die konkreten Veränderungen, die seit 2001 in der amerikanischen Politik eingetreten seien, nicht monokausal auf die Anschläge zurückgeführt werden könnten.113 / 113 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (115)
Weiterlesen...Diese seien weniger Auslöser als Katalysator von Entwicklungen gewesen, die durch sie schneller und offensichtlicher abgelaufen seien. Der Historiker Martin Sabrow dagegen führt die Anschläge vom 11. September als Beispiel für eine historische Zäsur an, wenn auch nur als eine „orthodoxe Zäsur“: Diese lasse, im Unterschied zur „heterodoxen Zäsur“ wie dem Mauerfall am 9. November 1989, geltende Basisnormen und -vorstellungen intakt und schaffe „keine neuen Sichtachsen und Denkhorizonte, sondern bestätigte bereits vorher bekannte“. Für den Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn waren die Anschläge der „Auftakt einer antisemitischen Revolution, die sich gegenwärtig weltweit im Gange befindet“. Sie richte sich nicht nur gegen Juden, sondern stelle generell eine Bedrohung für die Werte der Aufklärung dar, namentlich das Versprechen, jedes Individuum könne zu einem sich selbst bestimmenden Subjekt werden.
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Weiterlesen...Der Historiker Manfred Berg wägt kontrafaktisch ab, welche Ereignisse ohne die Anschläge als unwahrscheinlich gelten müssten, denn nur wenn es mehrere von ihnen gebe, könne man von einer Zäsur sprechen. So ließen sich der Krieg gegen den Terror, der Afghanistankrieg und der Irakkrieg eindeutig auf die Anschläge zurückführen, ebenso die enorme Ausdehnung der Macht der Exekutive in den USA. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand könne von einer „unipolaren Welt“, die manche Kommentatoren zu Beginn des Jahrtausends kommen sahen, angesichts der amerikanisch-chinesischen Rivalitäten keine Rede sein. Auch präge die Gefahr einer Wiederholung der Anschläge das Alltagsleben der Menschen in den USA und Europa nicht. Daher überwiege der Eindruck, „dass ‚9/11‘ kein historischer Einschnitt war, der die längerfristigen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Trends entscheidend veränderte“.
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Weiterlesen...Verschwörungstheorien
Zu den Anschlägen am 11. September 2001 gibt es zahlreiche Websites, Bücher und Filme, die Verschwörungstheorien über die Taten thematisieren. Eine Vielzahl der Theorien beinhaltet, dass die US-Regierung und ihre Nachrichtendienste die Anschläge wissentlich zugelassen oder selbst durchgeführt haben. Anhänger des sogenannten 9/11 Truth Movement fordern seit 2005 eine neue Untersuchung der Ereignisse. Ihren Thesen widersprechen neben den Experten der FEMA und des NIST auch zahlreiche Wissenschaftler.116 / 116 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (118)
Weiterlesen...Dokumentarfilme
11. September – Die letzten Stunden im World Trade Center (französ./amerikanischer Dokumentarfilm von Jules und Gédéon Naudet, 2002); ursprünglich hatten die Filmemacher einen Film über einen „Feuerwehrmann in Ausbildung“ beim FDNY geplant. Dabei geriet das Filmteam in die Rettungsaktion der Feuerwehr, und es gelangen ihnen dramatische Bilder über die Katastrophe und den Umgang der Menschen mit ihr. Der Film zeigt den Einschlag des ersten Flugzeugs in den Nordturm.
9/11 – Die letzten Minuten im World Trade Center – Doku-Drama, USA u. GB 2006 (Rekonstruktion des Infernos, basiert auch auf Aussagen Überlebender, Polizeiberichten, Aufzeichnungen von Telefonaten. Regie: Richard Dale; Originaltitel: 9/11: The Twin Towers)117 / 117 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (119)
Weiterlesen...Twin Towers (US-amerikanischer Dokumentarfilm, USA, 2003, Regie: Bill Guttentag) über zwei Brüder, die am 11. September starben.
Fahrenheit 9/11 (2004, kritisch-sarkastischer Doku-Film des Regisseurs Michael Moore, der die Politik der US-Regierung vor und nach der Zerstörung des WTC schildert)
9/11: Inside the President´s War Room. (Dokumentarfilm, 2021; Drehbuch und Regie: Adam Wishart), eine BBC und Apple tv+ -Produktion, die viele bisher nicht veröffentlichte Bilder/Videos zeigt, vorrangig in einer Rekonstruktion des Tagesablaufs am 11. September aus der Sicht des US-Präsidenten zusammen mit aktuellen (2021) Interviews u. a. mit dem ehemaligen Präsidenten Bush, die in den Tagesablauf eingeschnitten/-gefügt werden. (Widmung: den Opfern der Anschläge)118 / 118 / 119