Terroranschläge am 11. September 2001
Infoline
Terroranschläge am 11. September 2001 (81)
Weiterlesen...Die Folterpraktiken und Militärausnahmeverfahren, denen die Gefangenen unterzogen und unterstellt wurden, stießen auch in den USA auf Widerspruch. Eine Klage auf öffentliche Strafverfahren vor US-Gerichten wurde in der Berufungsinstanz abgewiesen. Ein Urteil im Juni 2008 verpflichtete die US-Regierung, diese Gefangenen nach US-amerikanischen Rechtsstandards zu behandeln. Im November 2009 kündigte US-Justizminister Eric Holder an, dass die mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge vor ein Zivilgericht in New York gestellt werden. Chalid Scheich Mohammed und vier Mitangeklagte aus dem Lager Guantánamo sollen sich in der Nähe des früheren World Trade Center für ihre Taten verantworten. Die Zivilverfahren sollen die bisherigen Militärverfahren vor umstrittenen Sondertribunalen in Guantánamo ersetzen, die vom früheren US-Präsidenten George W. Bush eingesetzt worden waren. Manche Opferangehörige kritisierten diese Entscheidung.
80 / 80 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (82)
Weiterlesen...Internationale Beziehungen
Der Politikwissenschaftler Jochen Hippler ordnete 2003 den Afghanistan- und den Irakkrieg der USA nicht nur als Reaktion auf die Anschläge ein, sondern auch als Fortsetzung einer unilateralen US-Außenpolitik. Diese habe ihre Stellung als einzige verbliebene Supermacht nach dem Kalten Krieg genutzt, um ein seit etwa 1995 vorliegendes neokonservatives Programm zu verwirklichen, „Schurkenstaaten“ und feindliche Regimes zu entmachten, US-Macht im Mittleren Osten und Zentralasien auszudehnen und ihre weltweite Führungsrolle zu stärken. Diese Sicht vertreten auch Wissenschaftler in den USA, etwa George Leaman.81 / 81 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (83)
Weiterlesen...Die Terroranschläge hätten diese Politik zunächst erheblich erleichtert, doch der mit Vorwänden herbeigeführte Sturz des Baath-Regimes habe Gewalt und Terror im Irak enorm verschärft, die Kluft zwischen vom Westen unterstützten arabischen Diktaturen und ihrer Bevölkerung vertieft und so die Instabilität der Nahostregion verstärkt. Zugleich habe er die internationale Solidarität mit den USA beendet, die Autorität der UNO und des Völkerrechts und das Verhältnis des Westens zur islamischen Welt beschädigt, eine Kluft zwischen USA und Europa und zwischen Unterstützer- und Ablehnerstaaten in der EU erzeugt und so eine einheitliche Außen- und Militärpolitik der EU erschwert.
82 / 82 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (84)
Weiterlesen...Die Kriege, die die USA im Anschluss an die Anschläge führten, und das neokonservative Projekt des „Benevolent Imperialism“ zur Verbreitung von Demokratie und Marktwirtschaft im Mittleren Osten werden heute als imperiale Überdehnung angesehen und von den USA nicht mehr verfolgt.
83 / 83 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (85)
Weiterlesen...Innenpolitik (USA)
Die Anschläge führten zu einer vorher nicht dagewesenen Ausweitung der präsidentiellen Macht und einer faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung in den Vereinigten Staaten. Dies beruhte, neben der Rolle des Präsidenten als verfassungsgemäßes Haupt der Exekutive und Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, vor allem auf der Theorie der unitary executive, der „einheitlichen Exekutive“. Danach stehe die Exekutive rechtlich über Legislative und Judikative, seine Fähigkeit, seine verfassungsmäßige Pflicht zu erfüllen und das amerikanische Volk zu schützen, dürfe nicht durch Beschlüsse des Kongresses behindert werden: Demnach könne er autonom darüber entscheiden, ob und wie er die Gesetze anwende.84 / 84 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (86)
Weiterlesen...Der Kongress folgte Bush in dieser Auslegung der Verfassung, lediglich der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten beharrte in mehreren Entscheidungen seit 2004 darauf, dass rechtsstaatliche Prinzipien wie Habeas Corpus und die Gewaltenteilung auch weiterhin Gültigkeit besäßen.
Unter dem Begriff Disaster Preparedness verstärkte die US-Regierung Mittel, Personal, Kompetenzen und Aufgaben für den Katastrophenschutz, die Flughafensicherheit und Luftsicherheit. Am 14. September 2001 wurde der Ausnahmezustand verhängt.85 / 85 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (87)
Weiterlesen...Im Oktober 2001 wies Vizepräsident Dick Cheney acht Inlandsgeheimdienste an, ein bestehendes Gesetz aus den 1970er Jahren, das Schleppnetz- und Rasterfahndung ohne richterliche Anordnung verbot, zu umgehen. Am 26. Oktober 2001 trat der USA PATRIOT Act in Kraft, der „inländischen Terrorismus“ als Beeinflussen der Regierung durch Einschüchterung oder Zwang definiert und US-Bundesbehörden weitreichende Eingriffe in Bürgerrechte für Anti-Terror-Ermittlungen erlaubt: etwa das Überwachen verdächtigter Personen ohne richterliche Anordnung, das geheime Abhören von Telefonaten, Speichern von Verbindungsdaten und Ausspionieren von E-Mail-Kontakten, das Einholen von personengebundenen Informationen bei Versicherungen, Geldinstituten und Arbeitgebern, das Inhaftieren und Ausweisen terrorverdächtiger Ausländer ohne Angaben und richterliche Prüfung von Verdachtsmomenten und mit erschwerten Haftprüfungsrechten.
86 / 86 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (88)
Weiterlesen...Danach wurden bis 2003 über 5000 Ausländer, meist junge männliche Muslime mit Kontakten in arabischen Staaten, verhaftet, davon 531 ausgewiesen, manche bis zu acht Monaten festgehalten, aber keiner von ihnen wurde angeklagt. Zwar erklärte der Supreme Court einige dieser Bestimmungen seit 2004 für verfassungswidrig, doch im März 2006 verlängerte der US-Kongress 14 von 16 Bestimmungen des USA PATRIOT Act unbefristet. Bush brach die Gesetzesauflage, dem Kongress vollständig Auskunft über die Umsetzung der Maßnahmen zu geben – insgesamt wurden in den USA neben dem zentralen Ministerium für Heimatsicherheit mit 170.000 Beschäftigten 263 Sicherheitsbehörden neu gegründet oder reorganisiert; 1200 staatliche Organisationen und 1931 private Firmen befassen sich seither mit Gefahrenabwehr.
87 / 87 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (89)
Weiterlesen...Ähnliche Gesetze verabschiedeten auch andere westliche Staaten, verschärften Einreisebedingungen und weiteten Personenüberwachung aus. Die Bundesrepublik Deutschland führte die Rasterfahndung und Kronzeugenregelung aus der RAF-Bekämpfung der 1970er Jahre wieder ein und verabschiedete zwei „Antiterrorpakete“, die u. a. das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthielten. Gesetzesentwürfe zur Einführung einer Präventionshaft (2004), zur Telekommunikationsüberwachung (2005), zur Erlaubnis von Abschüssen entführter Flugzeuge und zur präventiven Rasterfahndung (2006), zur geheimen Online-Durchsuchung privater Computer (2008) sowie zur Vorratsdatenspeicherung (2010) erklärte das Bundesverfassungsgericht jeweils für verfassungswidrig.
88 / 88 / 119Terroranschläge am 11. September 2001 (90)
Weiterlesen...Innenpolitik (EU)
Der Europäische Rat beschloss am 21. September 2001, den Terrorismus im Gebiet der Europäischen Union (EU) vorrangig zu bekämpfen. Mit dem Gemeinsamen Standpunkt 931 vom 27. Dezember 2001 trafen die EU-Mitgliedstaaten einstimmig zusätzliche Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. Besonders mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 wurde eine einheitliche Liste mit Personen, Vereinigungen oder Körperschaften beschlossen, die zur Terrorbekämpfung und -prävention mit Finanzsanktionen belegt werden (Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, Bereitstellungsverbot von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen) dürfen. Damit und mit der sogenannten EU-Terrorliste erfüllte die EU die UN-Resolution 1373.
Justizielle Folgen89 / 89 / 119