Das
unsichtbare
Imperium

Geflügelte Worte / Zitate / Aphorismen

Kommentierte Einleitung

Zitat RP Online Henry Kissinger

1. “Wenn ich mit Europa reden will, wen muss ich dann anrufen?“

Es ist wohl der berühmteste Satz, der dem verstorbenen US-Staatsmann und Wissenschaftler Henry Kissinger zugeschrieben wird. Er selbst kann sich daran nicht erinnern, wie er einmal zugab. Aber selbst wenn er ihn nie gesagt hat, so charakterisiert es seine Art, Probleme auf den Punkt zu bringen. Das Dilemma besteht noch heute fort, Europa ist die wirtschaftlich mächtigste Region der Welt, kann aber dieses Gewicht nicht auf das politische Parkett bringen.

https://rp-online.de/politik/analyse-und-meinung/henry-kissinger-diese-13-zitate-bleiben-nach-seinem-tod_aid-102474031

„Das wichtigste Zitat ist das, zu dem du die Quelle nicht angeben kannst.“ Quelle unbekannt

Der Ansicht sind wir auch. Es ist nicht immer relevant, wer und wann etwas gesagt wurde, sondern ob es zutreffend ist.

Zitat

Das Zitat (lateinisch citatum „Angeführtes, Aufgerufenes“ zu lat. citāre „in Bewegung setzen, vorladen“, vgl. „jemanden vor Gericht zitieren“) ist eine wörtlich oder inhaltlich übernommene Stelle aus einem Text oder ein Hinweis auf eine bestimmte Textstelle. Auch Inhalte aus anderen Medien können übernommen werden: Es gibt Bild-, Musik-, Film- und Architekturzitate.

Bekannte wörtliche Zitate werden häufig als geflügeltes Wort verwendet. Beispielsweise sind viele Textstellen aus der Bibel so stark im allgemeinen Sprachgebrauch verankert, dass sie kaum mehr als Zitat empfunden werden. Auch beim politischen Meinungsstreit spricht man von Zitaten, wenn man sich auf Äußerungen anderer bezieht. Im Journalismus wird ein direkt verwendetes Zitat in wörtlicher Rede auch als Originalton (O-Ton) bezeichnet.

In der Regel wird ein Zitat durch eine Quellenangabe oder einen Literaturnachweis belegt, indem sein Autor und die genaue Textstelle genannt werden. Ein solcher Verweis wird in der Bibliothekswissenschaft als Zitation bezeichnet. Zitationen können auch ohne dazugehöriges Zitat auftreten. Zitate, deren ursprünglicher Kontext verloren und nicht mehr rekonstruierbar ist, werden zu Fragmenten.

Richtiges Zitieren ist einer der Grundpfeiler wissenschaftlichen Arbeitens und dient der Nachvollziehbarkeit von Gedankengängen und der Kontrolle.

Zitate und Urheberrecht

Die Verwendung von Zitaten ist durch das Urheberrecht geregelt und unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, ohne dass eine Erlaubnis des Urhebers eingeholt oder diesem eine Vergütung gezahlt werden muss (§ 51 UrhG in Deutschland, siehe unten). Die allgemeine Begründung dafür ist, dass Zitate der kulturellen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung einer Gesellschaft dienen (siehe auch Informationsfreiheit). Zitate stellen einen Unterfall der urheberrechtlichen Schranken dar.

Zitate sind mit Literaturangabe zu versehen (Gebot der Quellenangabe in § 63 deutsches UrhG im Sinne einer genauen Angabe der Fundstelle). Das Zitatrecht dürfen nur Werke beanspruchen, die selbst urheberrechtlichen Schutz genießen, also eine eigene „Schöpfungshöhe“ aufweisen. Demnach dürfen sich Zitatensammlungen, die ausschließlich Fremdleistungen wiedergeben, nicht auf das Zitatrecht berufen. Die (wirtschaftlichen) Interessen des Urhebers bzw. Rechteinhabers des zitierten Werkes dürfen durch ein Zitat nicht über Gebühr eingeschränkt werden.

Zitate unterliegen dem Änderungsverbot, doch sind Kürzungen zulässig, wenn sie den Sinn nicht entstellen.

Unterschieden werden:

  • Großzitate – Zitate ganzer Werke
  • Kleinzitate – auszugsweise Zitate, z. B. einzelne Sätze oder Gedankengänge
  • Bildzitate, Musikzitate und Filmzitate
  • Freies Zitieren – Ohne Einhaltung des genauen Wortlauts.

Großzitate sind nur in wissenschaftlichen Arbeiten zulässig. Voraussetzung für ein Großzitat ist die bereits erfolgte Veröffentlichung. Kleinzitate dürfen weiterreichend verwendet werden. Der Zitierzweck muss erkennbar sein. Das Zitat muss also in irgendeiner Beziehung zu der eigenen Leistung stehen, beispielsweise als Erörterungsgrundlage. Der Umfang des Zitats muss dem Zweck angemessen sein. Bildzitate sind rechtlich am schwierigsten zu handhaben. Bildzitate sind einerseits als Großzitate (im wissenschaftlichen Bereich) gerechtfertigt, andererseits aber nach herrschender Lehre auch als „Große Kleinzitate“ möglich. Filmzitate werden als Sonderform von Bildzitaten angesehen. Allerdings ist es beispielsweise in der Filmbranche nicht unüblich, Parodien auf ganze Filme zu produzieren, die als eigenständige Kunstwerke angesehen und akzeptiert werden, auch wenn das parodierte Original (bei dieser Kunstform notwendigerweise) eindeutig erkennbar ist.

Deutschland

Nach deutschem Urheberrecht gilt für Zitate § 51 UrhG (Stand: 1. März 2018):

„Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

  1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
  2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
  3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.“

– § 51 UrhG

Hieraus leitet sich das sogenannte „Zitatprivileg“ ab, das sich der grundgesetzlich garantierten Weltanschauungs-, Kunst-, Meinungs-, Informations-, Presse- und Wissenschaftsfreiheit bedient (Art. 4 und Art. 5 GG).

Schweiz

Art. 25 Zitate des Urheberrechtsgesetzes (URG) lautet:

«¹ Veröffentlichte Werke dürfen zitiert werden, wenn das Zitat zur Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung dient und der Umfang des Zitats durch diesen Zweck gerechtfertigt ist.
² Das Zitat als solches und die Quelle müssen bezeichnet werden. Wird in der Quelle auf die Urheberschaft hingewiesen, so ist diese ebenfalls anzugeben.»

– Art. 25 URG

Wenn es der Zitatzweck rechtfertigt, darf ein Zitat auch ein ganzes Werk (z. B. ein Gedicht) umfassen. Dabei muss bei Sprachwerken ein inhaltlicher Bezug des zitierenden Textes auf das zitierte Werk bestehen.

«Dieser inhaltliche Bezug bestimmt auch über den zulässigen Umfang des Zitats. Soweit er fehlt, lässt sich die Übernahme des zitierten Werkes in den zitierenden Text nicht durch das Zitatrecht rechtfertigen. Zweck und Umfang des Zitats sind derart aufeinander bezogen, dass das Zitat im Vergleich zum zitierenden Text keine selbständige Bedeutung oder sogar die Hauptbedeutung beanspruchen darf ([…]).»

– Schweizerisches Bundesgericht

Von Bedeutung für die Auslegung dieser Vorschrift war ein Rechtsstreit zwischen dem Historiker Georg Kreis und der Zeitung Schweizerzeit. Die Schweizerzeit druckte am 26. Juli 2002 einen zuvor im Tages-Anzeiger erschienenen Beitrag des Zürcher Politikers Christoph Mörgeli und die einige Tage nach dem Beitrag von Mörgeli gleichfalls im Tages-Anzeiger veröffentlichte Entgegnung von Kreis zusammen mit einem «abschließenden Kommentar» des Publizisten Eduard Stäuble ab. Für den Abdruck des Artikels von Georg Kreis hatte dieser keine Erlaubnis erteilt. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Klage von Kreis am 9. September 2004 mit der Begründung ab, die Wiedergabe seines Artikels sei durch das Zitatrecht gemäß Art. 25 URG gerechtfertigt. Das Bundesgericht hingegen hieß mit Beschluss vom 22. Juni 2005 die Berufung von Georg Kreis gut und stellte fest, dass seine Urheberrechte mit der Publikation in der Schweizerzeit verletzt wurden. Neben einem Kasten der Redaktion rechtfertige auch der Text von Stäuble, in dem Bezug auf den Artikel von Kreis genommen wird, kein Zitat des vollständigen Artikels.

«Im Unterschied zum Text der Redaktion im ‹Kasten› findet im Text von Eduard Stäuble zwar eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Artikels des Klägers statt. Die Bezugnahme beschränkt sich aber auf einzelne Teile des Artikels.»

– Schweizerisches Bundesgericht

Das Bundesgericht hielt außerdem fest, «dass auch unter dem Aspekt der Meinungs- und Medienfreiheit keine Notwendigkeit bestand, den Artikel des Klägers wörtlich und in vollem Umfang abzudrucken.» Es lehnte die Auffassung des Zürcher Obergerichts ab, welches eine Berechtigung zum vollständigen Abdruck aus der Medienfreiheit und der Meinungs- und Informationsfreiheit im Sinne der Art. 16 und Art. 17 der Bundesverfassung ableitete:

«Schliesslich ist die Auffassung des Obergerichts auch grundsätzlich abzulehnen, denn damit wird im Ergebnis eine Einschränkung der urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse vorgenommen, wie sie im URG nicht vorgesehen ist. Sie würde bedeuten, dass die am öffentlichen politischen Meinungskampf Beteiligten die Nutzung ihrer in diesem Rahmen verwendeten, urheberrechtlich geschützten Sprachwerke durch Dritte ohne weiteres dulden müssten. Eine solche Regelung, wie sie im deutschen und österreichischen Urheberrecht unter einschränkenden Voraussetzungen in Form einer gesetzlichen Lizenz vorgesehen ist, fehlt im schweizerischen Recht und kann nicht einfach durch ein Gericht unter Berufung auf die verfassungsmässigen Grundrechte der Meinungs- und Medienfreiheit eingeführt werden ([…]).»

– Schweizerisches Bundesgericht

Österreich

§ 42f UrhG regelt das Zitatrecht. Bildzitate werden vom Wortlaut nicht erfasst, wurden aber von der Rechtsprechung als zulässig angesehen.

„(1) Ein veröffentlichtes Werk darf zum Zweck des Zitats vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn

  1. einzelne Werke nach ihrem Erscheinen in ein die Hauptsache bildendes wissenschaftliches Werk aufgenommen werden; ein Werk der in § 2 Z 3 bezeichneten Art oder ein Werk der bildenden Künste darf nur zur Erläuterung des Inhaltes aufgenommen werden;
  2. veröffentlichte Werke der bildenden Künste bei einem die Hauptsache bildenden wissenschaftlichen oder belehrenden Vortrag bloß zur Erläuterung des Inhaltes öffentlich vorgeführt und die dazu notwendigen Vervielfältigungsstücke hergestellt werden;
  3. einzelne Stellen eines veröffentlichten Sprachwerkes in einem selbstständigen neuen Werk angeführt werden;
  4. einzelne Stellen eines veröffentlichten Werkes der Tonkunst in einer literarischen Arbeit angeführt werden;
  5. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes in einem selbstständigen neuen Werk angeführt werden.“

– § 42f Abs. 1 UrhG

Liechtenstein

Die Rezeptionsvorlage für das liechtensteinische Urheberrechtsgesetz bildete das schweizerische Urheberrechtsgesetz.

Art. 27 Zitate des liechtensteinischen Urheberrechtsgesetzes lautet:

«1) Veröffentlichte Werke dürfen zitiert werden, wenn das Zitat zur Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung dient und der Umfang des Zitats durch diesen Zweck gerechtfertigt ist.
2) Das Zitat als solches und die Quelle müssen bezeichnet werden. Wird in der Quelle auf die Urheberschaft hingewiesen, so ist diese ebenfalls anzugeben.»

– Art. 27 URG

Zu dieser Bestimmung liegt noch keine bedeutende Rechtsprechung durch liechtensteinische Gerichte vor.

Meinungsstreit

In der öffentlichen Auseinandersetzung werden oft Äußerungen von Politikern oder anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angeführt, um sie zurückzuweisen oder die eigene Auffassung zu untermauern. Gegen wahre Zitate kann sich ihr Urheber nicht wehren. Niemand braucht es sich aber gefallen zu lassen, dass ihm falsche Zitate untergeschoben werden oder dass Zitate etwa durch Auslassungen verfälscht werden. Solche Manipulationen verstoßen gegen das Persönlichkeitsrecht. Wie das Landgericht Berlin in einer juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Bundesumweltminister Jürgen Trittin und der Bild-Zeitung unterstrich, sind an die Wiedergabe wörtlicher Zitate strenge Anforderungen zu stellen.

Wissenschaft

Zitate haben in der Wissenschaft ihre größte Bedeutung. Wissenschaftler sind stets darauf angewiesen, Arbeiten anderer Personen zu verwenden, damit etwa unnötige Wiederholungen eines Experiments verhindert werden und damit man den Ursprung und die Entwicklung von Argumentationen nachvollziehen kann.

Wissenschaftler arbeiten sozusagen auf den Schultern eines Riesen (d. h. auf der Erfahrung ihrer vielen Vorgänger): Zum Beispiel wird im einleitenden Text einer Dissertation mit Zitaten belegt, welche Aspekte des Themas schon bekannt sind und welche Wissenslücken noch bestehen. Das Gleiche gilt auch für Artikel in wissenschaftlichen Fachartikeln und anderen wissenschaftlichen Texten. Häufig gibt es einen Abschnitt oder Kapitel, der Forschungsstand heißt.

In der Wissenschaft wird davon ausgegangen, dass ein Forscher die Literatur zu seinem Thema kennt und sich mit den bisherigen Erkenntnissen auseinandergesetzt hat (Autopsieprinzip). Wenn man etwas von einem anderen Autor übernimmt, muss man die Quelle und gegebenenfalls die Art der Übernahme deutlich machen, sonst setzt man sich dem Vorwurf des Plagiats aus (siehe auch Betrug und Fälschung in der Wissenschaft). Das Zitieren und die Quellenangabe haben folgenden Sinn:

  • Wissenschaftliche Arbeit ist Arbeit in einer wissenschaftlichen Gemeinschaft; es soll bereits getätigte Arbeit nicht unnötigerweise wiederholt werden.
  • Wissenschaftliche Arbeit muss nachprüfbar sein, daher muss genau angegeben werden, worauf man sich beruft.
  • Wissenschaftliche Arbeit muss anerkannt werden. Die Übernahme von Erkenntnissen ohne Erwähnung des benutzten Autors ist geistiger Diebstahl; sie ist unmoralisch und kann soziale und rechtliche Folgen haben.

Den richtigen Umgang mit Zitaten lernt man im Studium. Diesen zu beherrschen ist besonders wichtig für Hausarbeiten und Abschlussarbeiten wie die Bachelorarbeit oder die Masterarbeit. Um diese Techniken zu erlernen, bieten Universitäten häufig Tutorien oder Kurse an.

Gesetzeszitate

Gesetzeszitate dienen in der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung als Rechtsquelle zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage oder als Hinweis auf eine vorhandene Rechtsvorschrift. Das ist einer der Gründe für vorhandene Rechtsnormen, nämlich im Alltag zitiert zu werden. Auch in der Rechtswissenschaft, Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur sind Aussagen zu begründen. Dies erfolgt durch Argumente mit Nachweisen, wobei die Gesetzeszitate zu den Standardargumenten gehören. Dabei werden Rechtsnormen regelmäßig nicht ausgeschrieben, sondern unter Angabe der Einteilungseinheit (Artikel [Art.] oder Paragraph [§]) und gegebenenfalls weiterer Untergliederung (Absatz, Halbsatz, Nummer usw.) und Gesetzesangabe zitiert. So ist nach § 433 Abs. 1 BGB beim Kaufvertrag der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Käufer wiederum ist gemäß § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

Wissenschaftliche Zitierrichtlinien

In der theoretischen wissenschaftlichen Arbeit werden Thesen auf Basis vorhandener Literatur entwickelt oder überprüft. Dabei soll durch das Zitat die Referenz auf die zugrundeliegende Literatur dargestellt werden.

Bei kurzen Zitaten (ein Wort, ein Satzteil) ist darauf zu achten, dass die zitierte Textstelle in sich sinnvoll ist oder durch den Satzzusammenhang entsprechend ergänzt wird.

Generell muss geprüft werden, ob ein Werk überhaupt zitierfähig ist.

Regelwerke, die angeben, wie man mit Quellen in Texten umgeht und die entsprechenden Belege für diese Quellen anführt (Zitationsmanuale), können nach wissenschaftlicher Disziplin und Sprache der Veröffentlichung variieren. Im Fach Psychologie stellt beispielsweise das Publication Manual of the American Psychological Association (APA) Richtlinien zur Gestaltung englischsprachiger Texte zur Verfügung, für die Erstellung deutscher Texte gelten die Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Für medizinische Texte gibt es Regularien der American Medical Association (AMA). Vor allem im englischen Sprachraum wird auch The Chicago Manual of Style (CMOS) verwendet, das vor über 100 Jahren entwickelt wurde. International verbreitet ist die Harvard-Methode, die jedoch ebenfalls nach örtlichen Konventionen unterschiedlich umgesetzt wird.

Innerhalb eines Textes ist eine einheitliche Zitierweise durchzuhalten.

Wörtliches Zitat

Ein wörtliches oder direktes Zitat muss formal und inhaltlich völlig mit dem Original, auch Hervorhebungen (Unterstreichungen, gesperrt Gedrucktes etc.) und eigenwillige Zeichensetzung, übereinstimmen. Es wird durch Anführungszeichen gekennzeichnet, ein Zitat innerhalb eines wörtlichen Zitats wird durch halbe Anführungszeichen (‚Text‘) markiert.

Wörtliche Zitate sollten eingesetzt werden, wenn nicht nur der Inhalt der Aussage, sondern auch deren Formulierung von Bedeutung ist. Ist das nicht der Fall, ist eine sinngemäße Wiedergabe in Form eines indirekten Zitats vorzuziehen.

Eigene Hervorhebungen oder eingeschobene Erläuterungen – in eckigen Klammern – müssen durch einen Hinweis (wie Hervorhebung des Verfassers oder Erläuterung der Redaktion) herausgestellt werden. Beispiel: „Es darf nicht die Impression [gemeint ist wohl: der Eindruck, A.K.] entstehen, die Additiones [Hinzufügungen, A.K.] stünden so bereits in der Vorlage“ (Hervorhebung A.K.), wobei A.K. für die Initialen des Autors steht. Auch grammatikalische (etwa im Kasus) oder typografische (etwa Wechsel zwischen Groß- und Kleinschreibung) Änderungen werden durch eckige Klammern markiert.

Fehler oder Falschschreibungen im Original sollten durch ein sic gekennzeichnet werden, um einerseits das Original nicht zu verändern, andererseits aber auch den Zitierenden nicht in Verdacht zu bringen, selbst den Fehler eingebaut zu haben.

Auslassungen (Ellipsen) einzelner oder mehrerer Wörter sind durch Auslassungspunkte und runde oder eckige Klammern (z. B. (…) oder […]) kenntlich zu machen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Auslassungen den Sinn nicht entstellen. Auslassungen von nur einem Wort können mit zwei Punkten (..) gekennzeichnet werden.

Wird ein längeres wörtliches Zitat in eine eigene Arbeit eingebaut, so erfolgt die Kennzeichnung zusätzlich durch Einrücken.

Sinngemäßes Zitat

Das indirekte Zitat erfolgt zur Abgrenzung von eigenen Aussagen zweckmäßigerweise in indirekter Rede im Konjunktiv. Es wird häufig zusätzlich gekennzeichnet durch den Namen des Verfassers und einer Anmerkung wie vgl.; vgl. hierzu: … oder sinngemäß nach …. Auch die sinngemäße Wiedergabe fremder Äußerungen (Entlehnung) kann entsprechend gekennzeichnet werden.

Eine sinngemäße Wiedergabe ist wie ein wörtliches Zitat durch genaue Quellenangabe kenntlich zu machen.

Quellenangabe

Alle Zitate müssen durch eine genaue Quellenangabe ergänzt werden, diese kann auf verschiedene Arten erfolgen. Der Gebrauch verschiedener Zitationssysteme wird von Fach zu Fach unterschiedlich geregelt. Folgende Systeme sind vor allem in den Geisteswissenschaften geläufig:

  • Chicago Manual of Style: Sowohl Fußnoten/Endnoten als auch „Autor-Datum“-Angaben werden durch „Chicago Style“ geregelt. Somit ist die oft in deutschen Quellen zu lesende Information falsch, dass „Chicago Style“ eine einzige Zitationsform impliziere. Für weitere Einzelheiten und genaue Lösungen in komplizierten Zitationsfällen siehe: http://www.chicagomanualofstyle.org/home.html.
  • Modern Language Association (MLA): Sowohl Fußnoten/Endnoten als auch „Autor-Datum“-Angaben werden ebenfalls durch „MLA Style“ geregelt. Sie unterscheiden sich jedoch in einigen Einzelheiten von „Chicago Style“.
  • Harvard-Zitation: Auch als „parenthetische Zitierweise“ oder Autor-Jahr-Zitierweise bezeichnet. Hier wird die zitierte Quelle mit Verfasserangabe, Erscheinungsjahr und gegebenenfalls Seite direkt – in Klammern gesetzt – im Text genannt (Theisen 2004). Die Autor-Jahr-Zitierweise stammt nicht von der Harvard University und wird von ihr auch nicht geregelt. Es gibt keine Publikationen wie bei Chicago oder MLA, die Problemfälle und Veränderungen in der Zitationspraxis offiziell regelt. Somit bietet der sogenannte „Harvard Style“ einige Richtlinien zu Zitationsformen, wird aber nicht von wissenschaftlichen Verlagen in angelsächsischen Ländern als Vorlage für Stilfragen verwendet.

Die Quellenangabe kann in Form eines Vollbelegs in der Fußnote oder als Kurzbeleg am Schluss der gesamten Arbeit aufgeführt werden. Beim Kurzbeleg sind dabei verschiedene Formen üblich. Der platzsparendste, aber am wenigsten aussagekräftige Zitierstil ist die fortlaufende Nummerierung aller zitierten Quellen.

Insbesondere in der Informatik üblich ist eine Kombination der ersten drei Buchstaben des Autorennamens und der letzten beiden Ziffern des Erscheinungsjahres (z. B. „The04“ für „Theisen 2004“). Wohl am weitesten verbreitet ist der vollständige Verfassername mit Erscheinungsjahr, wobei mehrere Quellen desselben Autors innerhalb eines Jahres durch fortlaufende Buchstaben kenntlich gemacht werden (z. B. „Theisen 2004c“).

Weniger üblich, aber aussagekräftiger ist die Quellenangabe unter Hinzufügung eines Schlagwortes, das den mit der Materie vertrauten Leser zumeist bereits die zitierte Quelle erkennen lässt, z. B. in der Form „Theisen (Wissenschaftliches Arbeiten, 2004)“.

Obwohl mehrere Zitierstile bzw. Zitiertechniken zur Verfügung stehen, werden in einem Dokument üblicherweise nicht mehrere verwendet; ein ausgewählter Zitierstil wird im gesamten Dokument konsequent beibehalten.

In den unterschiedlichen Fächern gibt es verschiedene Zitierrichtlinien für das Anführen gedruckter Literatur.

Wird aus zweiter Hand zitiert, also aus einem Werk, das der Verfasser selbst nicht eingesehen hat, so wird in der Fußnote zuerst die Originalquelle genannt, gefolgt von „zitiert bei“/„zit. bei“/„zitiert nach“/„zit. nach“ und dem Werk, das der Verfasser eingesehen hat.

Allgemein ist zur Quellenangabe zu sagen, dass es keinen einheitlichen Zitierstil gibt. Jede Hochschule hat hier i. d. R. ihre eigenen Vorgaben. Innerhalb eines Werkes sollte immer einheitlich zitiert werden, d. h., sowohl in der Fußnote als auch im Quellenverzeichnis am Ende der Arbeit sind die gleichen Formatierungen bei den Zitaten zu verwenden.

Zitieren aus Verfasserschriften (Monografien)

Beim Zitieren aus Büchern wird angegeben:

  • Vorname und Familienname des Verfassers
    • ist kein Verfasser angegeben, dann „o. V.“ = „ohne Verfasserangabe“
    • bis zu drei Verfasser werden jeweils komplett ausgeschrieben, bei mehr als drei Verfassern sind nach dem Erstautor die Abkürzungen „u. a.“ oder „et al.“ üblich (z. B. „Theisen et al. 2004“)
  • Titel des Buches
  • (eventuell) Übersetzer
  • Auflage
  • Verlagsort; bei mehr als drei Verlagsorten wird, wie bei den Verfassern, zumeist abgekürzt.
  • Verlagsname
  • Verlagsjahr;
    • ist kein Verlagsjahr angegeben, dann „o. J.“ = „ohne Jahresangabe“
  • Seitenangabe; erstreckt sich die zitierte Stelle über die folgende Seite, so ist dieses mit dem Zusatz „f.“ zu kennzeichnen. Erstreckt sie sich über mehrere folgende Seiten, so ist der Zusatz „ff.“ notwendig

Daraus kann sich z. B. folgendes Schema ergeben:

Chicago Manual of Style (bei Fußnoten/Endnoten + Literaturliste): Verfassername, Vorname. Titel. Nebentitel. Ort: Verlag, Jahr.

Chicago Manual of Style (bei Autor-Datum im Text + eine Literaturliste): Verfassername, Vorname. Jahr. Titel. Nebentitel. Ort: Verlag.

MLA (bei Eingeschobene Verweise im Text + eine Literaturliste) Verfassername, Vorname. Jahr. Titel. Nebentitel. Ort: Verlag, Jahr. Gedruckt.

Zitieren aus Zeitschriftenaufsätzen oder Zeitungsartikeln

Beim Zitieren aus Zeitschriftenaufsätzen

  • Vorname und Familienname des Verfassers. In Zeitungsartikeln werden diese teilweise nicht genannt, dann die Autoren-Signatur oder den Herausgeber angeben.
  • Titel des Aufsatzes
  • Zeitschriftentitel erschienen in
  • Nummer des Jahrgangs (= Band)
  • Heftnummer
  • Jahreszahl
  • Seitenangabe

Daraus kann sich z. B. folgendes Schema ergeben: Chicago: Fußnoten / Endnoten + Literaturliste Literaturliste: Nachname, Vorname. „Titel: Nebentitel.“ Zeitschriftentitel Band, no. Heft (Jahr): y–z. Bsp.: Olson, Hope A. „Codes, Costs, and Critiques: The Organization of Intermation in Library Quarterly, 1931–2004.“ Library Quarterly 76, no. 1 (2006): 19–35. Fußnote: Vorname Nachname, „Titel: Nebentitel,“ Zeitschriftentitel Band, no. Heft (Jahr): y–z. Bsp.: 1. Hope A. Olson, „Codes, Costs, and Critiques: The Organization of Intermation in Library Quarterly, 1931–2004,“ Library Quarterly 76, no. 1 (2006): 19–35.

Chicago: Autor-Datum im Text + eine Literaturliste Nachname, Vorname. Jahr. „Titel: Nebentitel.“ Zeitschriftentitel Band (Heft): y–z. Bsp.: Mnookin, Robert, and Lewis Kornhauser. 1979. „Bargaining in the Shadow of the Law: The Case of Divorce.“ Yale Law Journal 88 (5): 950–97.

MLA: Eingeschobene Verweise im Text + eine Literaturliste Nachname, Vorname. „Titel: Nebentitel.“ Zeitschriftentitel Band Heft (Jahr): y–z. Gedruckt.

Zitieren aus Sammelwerken (Herausgeberschriften)

  • Vorname und Familienname des Verfassers
  • Titel des Aufsatzes
  • Titel des Sammelwerkes = „in“
  • Name des Herausgebers = „Hrsg. …“
  • Auflage
  • Verlag
  • Verlagsort
  • Verlagsjahr
  • Seitenangabe

Daraus kann sich z. B. folgendes Schema ergeben: Verfassername, Vorname: Titel. Nebentitel. Hrsg. von Vorname Name. Auflage. Verlag, Ort Jahr (=Reihentitel).

Titelangaben bei Aufsätzen in Herausgeberschriften folgen dem gleichen Schema, jedoch werden die Seitenzahlen zusätzlich angegeben: Verfassername, Vorname: Titel. Nebentitel. Hrsg. von Vorname Name. Auflage. Verlag, Ort Jahr (=Reihentitel). S. x–y.

Wird eine Quelle mehrfach zitiert, so genügt vom zweiten Mal an die Nennung des Verfassers mit dem Hinweis „am angeführten Ort (a. a. O.) + Seitenangabe“ oder, wenn sich wiederholt auf die gleiche Seite bezogen wird, auch „ebenda“ (ibidem); Bsp: Hegemann, Heinen, Scholz: Wirtschafts- und Soziallehre. Teil 1. 4. Auflage. Köln-Porz 1976. S. 160; im Folgenden zitiert als: Hegemann, Heinen, Scholz, a. a. O., S. … oder (ebenda).

Zitieren aus Lexikonartikeln

Sofern der Autor bekannt ist, kann sich folgendes Schema ergeben: Verfassername, Vorname: Lemma. In: Lexikon-Name. Hrsg. von Vorname Name. Ort: Verlag Jahr. S. x–y.

Ist kein Autor vorhanden, kann folgendermaßen verfahren werden: [Art.] Lemma. In: Lexikon-Name. Hrsg. von Vorname Name. Ort: Verlag Jahr. S. x–y.

Tabellen und Diagramme

Jede Tabelle ist mit einer Überschrift zu versehen. Am Kopf jeder Tabelle steht ausgeschrieben das Wort „Tabelle“ mit der jeweiligen Nummer. Alle Zahlenangaben sind durch Fußnoten nachzuweisen. Alle Zahlen in Tabellen und Diagrammen sind mit Quellenangaben zu versehen.

Bedeutung

Für Autoren zitierter Werke spielen Zitate eine wesentliche Rolle zur Bildung von Reputation.

Zur Recherche und Analyse von Zitationen gibt es spezielle Zitationsdatenbanken. Die Zitationsanalyse untersucht im Rahmen der Szientometrie, der quantitativen Erforschung wissenschaftlicher Prozesse, sogenannte Zitationsgraphen, das sind Netzwerke von Publikationen, die durch Zitationen miteinander verbunden sind. Als indirekte Beziehungen aufgrund von Zitationen treten dabei Kozitation und Bibliografische Kopplung auf. Die Zitationsanalyse hat eine Reihe von Regelmäßigkeiten in Zitationsgraphen festgestellt. Ihre etwa seit Ende der 1950er Jahre stattfindende Anwendung zur Beurteilung von wissenschaftlicher Leistung ist umstritten.

Auch der Umstand, dass Publikationen nicht oder nicht richtig zitiert werden, kann untersucht werden. Das Phänomen des Nicht-Zitierens wird in der Szientometrie als Uncitedness bezeichnet. Es wird vermutet, dass ein wesentlicher Teil der zitierten Literatur vom Autor nicht gelesen wurde. Linda C. Smith stellte in einer Studie zur Zitierung des bekanntesten Werkes von Vannevar Bush fest, dass die Autoren das Werk aus dem Zusammenhang gerissen zitierten, um beliebige Aussagen zu belegen, die teilweise sogar im Widerspruch zu dem zitierten Artikel standen.

Zitieren im Internet

Bei Diskussionen im Internet, zum Beispiel per E-Mail (z. B. in Mailinglisten) oder in Diskussionsforen, bei denen man sich auf andere Diskussionsteilnehmer bezieht, ist es oft notwendig, das Gesagte zu zitieren. Dort spricht man auch oft vom quoting (englisch für „Zitieren“). Viele Diskussionsteilnehmer stört es, wenn das Zitat dabei nicht klar als solches markiert ist oder wenn mehr als notwendig zitiert wird.

https://wiki.das-unsichtbare-imperium.de/wiki/Zitat

Geflügeltes Wort

Als geflügeltes Wort wird in der Linguistik ein auf eine konkrete Quelle zurückführbares Zitat bezeichnet, das als Redewendung Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat. Darunter sind oft knappe Formulierungen komplizierter Sachverhalte oder solche von Lebenserfahrungen, die treffend „auf den Punkt gebracht“ werden. Geflügelte Worte können u. a. die Form von Aperçus, Aphorismen, Bonmots, Gnomen, Maximen, Sentenzen, Sinnsprüchen und Sprichworten haben.

Herkunft

Quelle sind im europäischen Kulturkreis häufig lateinische oder griechische Redewendungen sowie Bibelzitate, im Deutschen insbesondere auch in der Fassung der Übersetzung Luthers. Ein Beispiel ist Geflügelte Worte (griechisch: ἔπεα πτερόεντα – épea pteróenta) selbst. Es kommt in der Ilias 46-mal, in der Odyssee 58-mal vor und bezeichnet dort gesprochene Worte, die das Ohr des Hörers „auf Flügeln“ erreichen.

Einen besonders reichen Schatz an geflügelten Worten hat beispielsweise das Chinesische, das ursprünglich für jeden Begriff genau ein Zeichen verwendete (isolierende Sprache). Dort bilden Sprichwörter, treffliche Zitate und Anspielungen der gesamten klassischen Literatur wie auch eingebürgerte bildhafte oder lautmalende Figuren sukzessive einen lexikalischen mehrsilbigen Wortschatz (Lexeme), sodass modernes Chinesisch in der Sprachpraxis überwiegend mehrsilbig aufgebaut ist.

Begriffsgeschichte

Der mittelhochdeutsche Dichter Heinrich von Meißen bezeichnet das Sprichwort als flügges Wort, als ein Wort, dem Flügel gewachsen seien.

Klopstock verwendete in seinem Epos Der Messias von 1742 die Formulierung:

Auch Johann Heinrich Voß verwendet diese Worte in seinen berühmten Homer-Nachdichtungen. Sie sind die Lehnübersetzung von ἔπεα πτερόεντα. Erst seit dem Erscheinen von Georg Büchmanns Zitatensammlung Geflügelte Worte im Jahr 1864 wird der Ausdruck gebraucht im Sinn von

Büchmanns Nachfolger Walter Robert-Tornow präzisierte den Begriff in der von ihm 1884 herausgegebenen 14. Auflage:

Die Fundstelle eines Zitates, das die bekannteste Formulierung eines Sachverhalts gibt, das historisch zur stehenden Wendung geworden ist, nennt man den Locus classicus. Dieser Ausdruck ist beispielsweise auch für wissenschaftliche Aussagen oder juristische Schlüsse üblich.

Kurt Steinmann verwendet in seiner Ilias-Übersetzung von 2017 den Ausdruck „gefiederte Worte“. Das Bild des gefiederten Pfeils war wohl vom Autor beabsichtigt, was in der Übersetzung „geflügeltes Wort“ heute kaum noch erkennbar ist.

https://wiki.das-unsichtbare-imperium.de/wiki/Gefl%C3%BCgeltes_Wort

Aphorismus

Ein Aphorismus (von altgriechisch ἀφορίζειν ‚genau bestimmen, abgrenzen‘) ist ein selbständiger einzelner Gedanke, ein Urteil oder eine Lebensweisheit. Er kann aus nur einem Satz oder wenigen Sätzen bestehen. Oft formuliert er eine besondere Einsicht rhetorisch als allgemeinen Sinnspruch (Sentenz, Maxime, Aperçu, Bonmot). Dagegen gelten Auszüge aus anderen Texten, wie geflügelte Worte oder pointierte Zitate literaturwissenschaftlich nicht als Aphorismen. Ein Verfasser von Aphorismen wird als Aphoristiker bezeichnet.

Eigenschaften

Erst seit dem frühen 20. Jahrhundert wird der Aphorismus als eigenständige Prosa­gattung anerkannt und erforscht. Er gilt als Textform mit folgenden Kerneigenschaften:

  • In der Tendenz eher nichtfiktional, ist er sowohl der Literatur als auch der Philosophie zuzuordnen.
  • Sein häufigstes Bauprinzip ist die Antithese, zum Beispiel: Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang (Hippokrates), die oft auch noch polemisch zugespitzt wird.
  • Besonders wenn ein Sprachbild aufgegriffen und bildlich verlängert wird, führt die antithetische Wendung häufig zum Paradoxon, zum Beispiel, Mit dem Band, das ihre Herzen binden sollte, haben sie ihren Frieden stranguliert (Lichtenberg).
  • Virtuoser Umgang mit Bild- und Aspektwendungen ist oft auch ein Kennzeichen des Essays, des „großen Bruders“ des Aphorismus. Der Übergang zwischen beiden ist fließend, eine Grenze für die Länge wird von der Literaturwissenschaft mehrheitlich abgelehnt.
  • Viele Aphorismen finden Verwendung als Einträge in Poesiealben und Zitatenschätzen.

Begriffsherkunft

Das Wort „Aphorismus“ stammt aus dem altgriechischen ἀφορισμός (aphorismόs) und kann folgende Bedeutungen haben:

  • Abgrenzung, Definition
  • medizinischer Lehrsatz (etwa bei Hippokrates von Kos und Herman Boerhaave)
  • Sentenz als Weisheitsspruch
  • kurzer prägnanter Stil.

Das zugehörige Verb ἀφορίζειν (aphorízein, von *ap[o]-horízein) „genau bestimmen, abgrenzen“, lässt sich vom Wort ὅρος hóros „Begrenzung, Bedingung“ ableiten, von dem auch das deutsche Wort „Horizont“ abstammt.

Geschichtliche Entwicklung

Der erste Aphoristiker war Heraklit von Ephesos. Auch Platon rechnet Heraklit zu den Aphoristikern. Das erste Werk, das zu einem großen Teil aus Aphorismen bestand, waren die Schriften des Hippokrates, die jedoch von vielen einzelnen Autoren der koischen Schule stammen. In den sieben Büchern Aphorismen der hippokratischen Schriftensammlung werden in aphoristischer Form medizinische Lehrsätze aufgestellt.

Die literarisch-philosophische Gattung entwickelte sich erst später. Zu ihren Meistern gehören vor allem die französischen Moralisten des 17. und 18. Jahrhunderts, u. a. François de La Rochefoucauld, Jean de La Bruyère, Joseph Joubert, Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues sowie der Spanier Baltasar Gracián.

Eine lange Tradition hat der Aphorismus im deutschsprachigen Raum. Auf Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher) im 18. Jahrhundert folgen u. a. Johann Wolfgang von Goethe, Jean Paul, Friedrich Schlegel, Novalis, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus, Franz Kafka, Ludwig Wittgenstein, Theodor W. Adorno, Elias Canetti, Émil Cioran und Elazar Benyoëtz.

In Polen sind zu nennen: Stanisław Jerzy Lec, Karol Irzykowski, Adolf Nowaczyński, Henryk Elzenberg und Wojciech Wiercioch.

Weitere bekannte Aphoristiker sind Laotse, Konfuzius, Oscar Wilde, George Bernard Shaw, Andrzej Majewski und Paul Valéry.

Aphoristiker über Aphorismen

  • Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916): „Ein Aphorismus ist der letzte Ring einer langen Gedankenkette.“ (eröffnet den Band Aphorismen, 1880.)
  • Ambrose Bierce (1842–1914): „Aphorismus, m. Vorverdaute Weisheit.“ (Original: Predigested wisdom, aus The Devil’s Dictionary, 1911.)
  • Friedrich Nietzsche (1844–1900): „Ein Aphorismus, rechtschaffen geprägt und ausgegossen, ist damit, dass er abgelesen ist, noch nicht ‚entziffert‘; vielmehr hat nun dessen Auslegung zu beginnen, zu der es einer Kunst der Auslegung bedarf.“ (aus der Vorrede zur Genealogie der Moral, 1887.)
  • Hans Kudszus (1901–1977): „Jeder Aphorismus ist das Amen einer Erfahrung.“ (eröffnet den Band Jaworte, Neinworte. Aphorismen. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1970.)
  • Karlheinz Deschner (1924–2014): „Ein Aphorismus ist der Versuch, schon den Ton als Konzert auszugeben.“ (Ärgernisse. Aphorismen. Rowohlt, Reinbek 1994.)
  • Elias Canetti (1905–1994): „Die großen Aphoristiker lesen sich so, als ob sie einander gut gekannt hätten.“ (Aufzeichnungen 1942–1948. Hanser, München 1965.)
  • Helmut Arntzen (1931–2014): „Im Aphorismus ist der Gedanke nicht zu Hause, sondern auf dem Sprung.“ (Kurzer Prozess. Nymphenburger, München 1966.)
  • Elazar Benyoëtz (* 1937): „Ein Aphoristiker sagt so viel, wie sich denken lässt, und nicht mehr, als man sich ausmalen kann.“ (Der Mensch besteht von Fall zu Fall. Reclam, Leipzig 2002, S. 82.)
  • Klaus von Welser (1942–2014): „Der Systematiker führt seine Gedanken aus, der Aphoristiker führt sie heim.“ (Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. Hrsg. v. G. Cantarutti. Peter Lang, Frankfurt am Main 1986, S. 31.)
  • Jacques Wirion (* 1944): „Nur scheinbar kommt der Aphorismus denen entgegen, die keine Zeit haben.“ (Sporen. Esch/Sauer, Op der Lay 2005, S. 54.)
  • Alfred Grünewald (1884–1942): „Als ich erkannte, daß man sich den Leuten nicht gut ohne Gebrauchsanweisung verschreiben kann, entschloß ich mich für den Aphorismus.“ (Alfred Grünewald, Ergebnisse. Ed. Memoria, Hürth bei Köln 1996, S. 38.)
  • Karl Kraus (1874–1936): „Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen.“ (Karl Kraus, Werke Bd. 3, ed. H. Fischer, S. 326.)
  • Karl Kraus: „Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb.“ (Sprüche und Widersprüche. Karl Kraus, Fackel 270/271 32.)
  • Elazar Benyoëtz: „Aphorismus – ein Wort in Sinn getaucht.“ (Treffpunkt Scheideweg. Elazar Benyoëtz.)
  • Bernd Liske (* 1956): „Aphorismen sind wie Essenzen, aus denen man viele schmackhafte Suppen kochen kann.“ (Bernd Liske, Aphorismen.de, 2021).
  • Markus Mirwald (* 1982): „Aphorismen zu schreiben, ist der Versuch, eine An- oder Einsicht in wenige Worte zu fassen – und glaubhaft zu machen, dass es dem nichts hinzuzufügen gibt.“ (Der vielleicht größte Schatz: Wesentliches in wenigen Worten (Band 1). Wölbling 2017, S. 9)

Aphoristikertreffen

Seit 2004 findet in Hattingen an der Ruhr alle zwei Jahre ein deutschsprachiges, inzwischen internationales Aphoristikertreffen statt. Veranstalter dieses Forums sind der Förderverein Deutsches Aphorismus-Archiv Hattingen e. V. (DAphA) und das Stadtmuseum Hattingen.

Aphoristische Stilmittel

  • Paradoxie, z. B. „Die Geschichte lehrt, wie man sie fälscht.“ oder „Bevor ich mich aufrege, ist es mir gleich egal.“
  • Alogismus, z. B. „Sind nackte Frauen intelligent?“
  • Doppeldeutigkeit, z. B. „Analphabeten müssen diktieren.“
  • Doppeldeutigkeit, Ironie, z. B. „Bakterien? Kleinigkeit!“
  • Wortspiel

Alle Beispielaphorismen stammen von Stanisław Jerzy Lec.